Die "Unsichtbare Hand", die
Selbstregulation
und
das größte Glück der größten Zahl
"Der Nationalökonom
gleicht einem Wanderer, der zu einer Reise aufbricht und
der sich auf ihr ein bedeutende Erweiterung seines Horizontes
verspricht,
der aber schon nach den ersten Schritten in ein Gestrüpp hereingerät
das unüberwindbar erscheint."
Walter Eucken (1891-1950)
Um zeigen zu können, dass
es eine mit der Metapher "unsichtbare Hand"
umschriebene Art Selbstregulation gibt, die so etwas wie das größte
Glück der größten Zahl in einer arbeitsteiligen Gesellschaft
bewirken kann, ist es notwendig das einfache Zweier-Modell einer
arbeitsteiligen Wechselbeziehung nicht nur einerseits nach den
Wiederholungseffekten sondern andererseits auch einmal nur auf
die bei Erweiterung auf mehr als zwei Teilnehmer entstehenden
kombinatorischen Konsequenzen hin zu untersuchen.
Sinnvoll ist es dann der vollständigen Paarbildung wegen als nächstes
das Modell nicht von zwei auf drei sondern auf n = 4
Wirtschaftseinheiten, die alle gleiche Produktpaare herstellen,
zu erweitern. Bereits bei diesen n = 4 Wirtschaftseinheiten (WE)
stoßen wir auf zwei kombinatorische Probleme, nämlich als
erstes auf das der verschiedenen Paarbildungsmöglichkeiten und
anschließend auf das der alternativen Paarbildungen.
Die Paarbildungsmöglichkeiten
Durch die Erweiterung von
zwei auf vier Wirtschaftseinheiten ergeben sich zwischen diesen
vier Einheiten (WE1;WE2;WE3 und WE4) sechs verschiedene arbeitsteilige
Paarbildungensmöglichkeiten.
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Obwohl bei n = 4
potentiellen Wirtschaftspartnern sechs verschiedene Paarbildungen
möglich sind, können aber nur zwei paarweise arbeitsteilige
Wechselbeziehungen gleichzeitig verwirklicht werden. Es
scheiden zwangsläufig hier schon vier andere Möglichkeiten aus.
Wenn beispielsweise WE1 mit WE2 kooperiert, kann nur noch WE3 mit WE4 arbeitsteilig produzieren. Die restlichen vier
Paarbildungsmöglichkeiten werden ausgeschlossen. Dabei bleibt
unbekannt, ob sich unter diesen ausgeschlossenen zwei Dritteln
aller Möglichkeiten bessere befinden.
Bei schrittweiser
Erweiterung auf beispielsweise 6; 8 und 10 potenzielle
Wirtschaftseinheiten steigt die Anzahl der Möglichkeiten
arbeitsteilige Wechselbeziehungen rasch an.
In Indize-Darstellung:
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Formal ausgedrückt ergeben sich für "n" Wirtschaftseinheiten folgende Paarbildungsmöglichkeiten:
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Wird beispielsweise
erweitert angenommen, dass zwei Modell-Länder aus je 5
Wirtschaftseinheiten bestehen, die das betreffende Produktpaar
selbst herstellen. Dann sind nach den Gesetzen der Kombinatorik
zwischen diesen 10 Einheiten 45 unterschiedliche arbeitsteilige
Paarbildungen und somit auch eben so viele paarweise Optima möglich.
Aber davon können gleichzeitig nur n/2 = 5 Paarbildungen
verwirklicht werden. Bei 10 Teilnehmern müssen also bereits 40
Stück so rund 89 Prozent aller zweiseitigen Möglichkeiten
ausgeschlossen werden, obwohl sich gerade unter diesen vielleicht
die mit den besseren Ergebnissen befinden.
Der Anteil der auszuschließenden Wirtschaftseinheiten steigt
weiterhin rasch an. Beispielsweise sind bei n=100
Wirtschaftseinheiten schon 4900 unterschiedliche Paarbildungen möglich.
Verwirklicht werden können nur n/2 = 50 Stück, das bedeutet,
dass nun schon rund 99 Prozent aller Möglichkeiten
ausgeschlossen bleiben. Es wird somit in der Tendenz die
Wahrscheinlichkeit immer größer, die bestmöglichen
arbeitsteiligen Paarbildungen nicht zu treffen.
Doch (vorerst) tröstlich ist : Was für die besten
gilt, trifft genau so wahrscheinlich für die schlechtesten
Paarbildungsmöglichkeiten zu.
Das ändert sich allerdings drastisch, wenn die einzelnen arbeitsteiligen Paare ein allgemein verbindliches Austauschverhältnis wie beispielsweise das "gesellschaftlich durchschnittliche" des Karl Marx freiwillig oder gezwungener Maßen verwenden.
Um das modellhaft zeigen zu können, müssen die alternativen Möglichkeiten in die Untersuchung einbezogen werden.
Die alternativen Paarbildungen
Das einfachste Vierer-Modell mit vier gegenläufigen Zahlen als Aufwandswerte pro Produkt:
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Daraus lassen sich nicht nur 6 verschiedene arbeitsteilige Paarbildungen ableiten sondern auch 3 sich gegenseitig ausschließende Alternativen, die hier Kooperationsalternativen (KA) genannt werden.
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Angenommen wir untersuchen das 4er
Modell wieder wie das Ricardo-Modell auf der Seite Zur optimale
Zweiteilung einer Arbeit
als eine Optimierungsaufgabe nicht
nach dem Ziel der Minimierung des Produktionsaufwandes
sondern nach der Maximierung der dabei anfallendenden
Aufwandseinsparungen.
Durch die Verwendung der ersten vier natürlichen Zahlen als
Produktionsaufwandswerte sind die jeweiligen vier Aufwandsverhältnisse
schnell berechnet.
Mittels der allgemeinen Formel
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und unter Beachtung der
Nebenbedingung, das Verhältnis1 immer größer
als Verhältnis2 sei (V1 > V2), sind die verschieden möglichen relativen
optimalen Aufwandeinsparungen pro Kooperationsalternative noch
ohne allzugroßem Aufwand berechenbar.
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Beim Vergleich der
optimalen Aufwandseinsparungen der drei verschiedenen
Kooperationsalternativen sind deutlich unterschiedliche
Ergebnisse zu sehen:
Obwohl alle Paare immer relativ gleiche Einsparungen
erwirtschaften können, ist die mittlere Alternative die beste,
denn sie zeichnet sich nicht nur dadurch aus, dass das
durchschnittlich Gesamtergebnis ein Maximum ist, sonder auch
dadurch, dass der paarweise Unterschied zwischen dem besten und
dem schlechtesten Ergebnis ein Minimum ist.
Durch die modellhaft gegenläufigen und nach Größen geordneten
Aufwandswerte wird ersichtlich, dass die 3. bzw. letzte
Kooperationsalternative die mit den größten Ungleichheiten
zwischen den Paaren ist, ohne dass das zu einem besseren
Gesamtergebnis führt
Außerdem hat die letzte Kooperationsalternative die besondere
Eigenschaft, dass ihre paarweisen durchschnittlichen Aufwandsverhältnisse
identisch sind mit dem "gesellschaftlich durchschnittlichen"
Aufwandsverhältnis aller Wirtschaftseinheiten.
Damit wird hier deutlich, dass ein aus dem "gesellschaftlichen
Durchschnitt" abgeleitetes arbeitsteiliges Austauschverhältnis
nicht zu einer optimalen Gesamtlösung führt aber dafür zu
teilweise krassen Unterschieden zwischen den Wirtschaftspartnern.
Nicht anders ist es bei Beispielen mit mehr als vier Wirtschaftseinheiten!
Dazu ein schematisiertes Beispiel mit n= 10 Wirtschaftseinheiten sowie gegenläufigen Aufwandswerten von 1 bis 10:
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Unter der weiterhin
vereinfachenden Verwendung gegenläufiger Reihenfolgen von
Produktionskosten gleich welcher Art für gleiche Produktpaare,
brauchen wir trotz expansiv ansteigender Vielfalt nur drei
unterschiedliche Kooperationsalternativen vergleichend zu
berechnen, nämlich die erste, die mittlere und die letzte
Kooperationsalternative.
Dazu das nachfolgenden Beispielschema in Indize-Darstellung.
Darin sind die 45 verschiedenen Möglichkeiten der Paarung von 10
Einheiten aufgeführt. Wenn sich beispielsweise aus der ersten
und der zweiten Wirtschaftseinheit ein arbeitsteiliges Paar
gefunden hat, dann scheiden sofort die Paarbildungsmöglichkeiten
13; 14; 15 ..bis 110 und 23; 24; 25
...bis 210 aus. Je nach den
jeweiligen Anfangspaarungen ergeben sich andere Alternativen.
Durch systematisches Vorgehen und bei vollständiger
Paarbildungsmöglichkeit ( n = eine gerade Zahl) wird man finden,
dass die Anzahl alternativer Paarbildungen der Fakultät der
ungeraden Zahlen bis n-1 entspricht. Im Fall von n = 10
potenziellen Partner ergeben sich dann 1*3*5*7*9= 945
verschiedene arbeitsteilige Alternativen.
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In diesem 10er-Schema sind
beispielhaft nur drei der 945 alternativen Möglichkeiten
herausgegriffen und durch Verbindungsstriche bzw. -bögen
gekennzeichnet. Bei richtiger Zuordnung der verschiedenen
Wirtschaftseinheiten und paarweiser Verwendung des jeweiligen
Geometrischen Mittels ihrer vorarbeitsteiligen Aufwandsverhältnisse
als Austauschfaktor haben diese drei Kooperationsalternativen
zwar alle unterschiedliche Ergebnisse doch gleichgültig wie groß
die Teilnehmerzahl letztlich ist immer die gleichen folgenden
Eigenschaften:
Das schlechteste Gesamtergebnis entsteht, wenn
diejenigen Einheiten arbeitsteilig verpaart werden, die am
dichtesten beisammenliegen, also: 12; 34; 56; 78 und 910. Ein
wesentlich besseres Gesamtergebnis ergibt sich,
wenn die Alternative 110; 29; 38; 47 und 56 gebildet wird. In ihr
haben alle Kooperationspaare als optimales das Austauschverhältnis
1 zu 1. Außerdem fällt dieses Verhältnis auch mit dem
durchschnittlichen Aufwandsverhältnis (Marxsche Vorschlag des
Austausches) der beiden Produkte zusammen. In dieser
Kooperationsalternative gibt es paarweise einerseits relativ hohe
und andererseits relativ niedrige Aufwandseinsparungen.
Im Gegensatz dazu die mittleren Alternative 16; 27; 38; 49 und
510 - in ihr sind diese Unterschiede zwischen paarweisen hohen
und niedrigen arbeitsteiligen Einsparungen auf ein Minimum
reduziert und das relative Gesamtergebnis ist nun nicht nur noch
größer, sondern anscheinend sogar das größte aller 945
Kooperationsalternativen.
Mit moderner Rechentechnik und den im Voraus schon entwickelten
Formeln sind die paarweisen Optima der ersten, mittleren und
letzten der 945 möglichen Kooperationsalternativen schnell
berechnet.
Die Ergebnisse der 1. Kooperationsalternative nach paarweisen eignen Austauschverhältnissen*:
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Die Ergebnisse der 945. Kooperationsalternative (nach Marxschen gesellschaftlichen Durchschnittwerten*):
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Die Ergebnisse der mittleren 473. Kooperationsalternative nach paarweisen eignen Austauschverhältnissen*:
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* Die Aufwandsverhältnisse und anderen
Ergebnisse sind, wo notwendig, auf zwei Stellen nach dem Komma
gerundet.
Wir können sehen, dass es also nicht nur das Problem der
paarweisen optimalen Zweiteilung einer Arbeit sondern darüber hinaus auch noch das einer optimalen Gesamtlösung aller
beteiligten Kooperationspaare gibt.
An diesen besonderen
Eigenschaften der ersten, mittleren und letzten
Kooperationsalternativen ändert sich prinzipiell nichts, auch
wenn nun noch größere Teilnehmerzahlen in die Untersuchung
einbezogen werden. Auch wenn beispielsweise bei 20 Einheiten die
Anzahl der alternativen zweiseitigen Kooperationen nun schon auf
rund 655 Millionen verschiedene Möglichkeiten ansteigt, muss vor
diesem Vergleichsrechenaufwand nicht resigniert und/oder der
Ausweg in arithmetischen Durchschnittsbetrachtungen gesucht
werden. Denn da man mittels der vorab entwickelten allgemeinen
Formeln und der heutigen elektronischer Rechentechnik die dazu
notwendigen Vergleichsrechnungen relativ schnell durchführen
kann, wird man feststellen, dass es unter dieser scheinbar überwältigenden
Vielfalt an Möglichkeiten bessere und schlechtere Alternativen
geben muss. Doch bei systematischer Vorgehensweise mit dem
verwendeten Algorithmus befindet sich die beste anscheinend immer
in der Mitte aller Möglichkeiten. Sie zeichnet sich wieder
dadurch aus, dass ihre relative Gesamteinsparung einerseits das mögliche
Maximum ist und die zwangsläufigen
Einsparungsdifferenzen zwischen den Kooperationspaaren
andererseits die minimalsten sind.
Mit anderen Worten ausgedrückt: Es gibt in dieser Vielfalt immer
eine Alternative, die in Bezug auf die arbeitsteilig unmittelbar
möglichen Einsparungen so etwas wie "Das größte
Glück der größten Zahl" bewirkt.
Das große Frage ist nun: Wie kann man dieses Gesamtoptimum ohne Kenntnis aller Ausgangsverhältnisse in einer quasi explodierenden Vielfalt finden? Die Antwort liegt bereits - allerdings noch verborgen - in den drei Beispielsrechnungen der 1.; 473. und 945. Kooperationsalternativen vor. Es ergibt sich eine allgemein gültige Problematik, die bereits bei Adam Smith als eine Art Unsichtbare Hand beschrieben wurde, welche die obwohl nur eigennützig nach Gewinn strebenden Partner dennoch zum größeren Gesamtnutzen leiten würde. Es lässt sich in den weiteren Schritten nachweisen, dass mathematischer Wahrscheinlichkeiten die Ursache für dieses umstrittene Phänomen sind.
Neben den Schritten der extensiven
Arbeitsteilung, in dem letztlich global alle möglichen Waren und
Dienstleistungen in die arbeitsteilige Produktionsweise
einbezogen werden, gibt es aber auch noch die intensive
Arbeitsteilung. Bei ihr werden innerhalb von relativ selbständigen
Wirtschaftseinheiten Gesamtarbeiten mehr und mehr zerlegt und auf
entsprechend geeignete Arbeitskräfte aufgeteilt. Auch dieser zusätzliche
Optimierungsprozess unterliegt auf dem Einfachen aufbauend wieder
kombinatorischen Gesetzen, die zum Teil ohne direkten Bezug zur
Arbeitsteilung schon von dem indischen Mathematiker Srinivasa
Ramanujan ( 1887-1920) erarbeitet wurden.
Wird aber falsch praktiziert (extrem zerlegt), verliert, wie
einst Karl Marx in seinem Kommunistischen Manifest teilweise
richtig und teilweise falsch erkannte, die Arbeit durch diese "...
Teilung der Arbeit allen
selbständigen Charakter und damit allen Reiz für die Arbeiter ..." und "...je
mehr die moderne Industrie sich entwickelt, desto mehr wird die
Arbeit der Männer durch die der Weiber und Kinder verdrängt."
Bei näherer Betrachtung der intensiven Arbeitsteilung
gilt nämlich auch zwischen allen Beteiligten innerhalb
arbeitsteilig strukturierter Wirtschaftseinheiten das zweiseitige
Optimierungsprinzip, in dem wieder das Geometrische Mittel der
paarweisen Aufwandsverhältnisse der optimale Austauschfaktor wäre.
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Aber durch die Kleinheit der jeweiligen Arbeitsteile wäre andererseits eine ständiges Aushandeln des zugehörigen kleinen Gewinnes ökonomischer Unsinn, denn der jeweilige "Handels"aufwand wäre weitaus größer als die mögliche Aufwandseinsparung. Es bieten sich sinnvollerweise deshalb tägliche, wöchentliche, monatliche usw. Aushandels- und Auszahlungszyklen als Lösungen an.
Über den gerechten und naturgemäßen Lohn hat sich auch ein anderer wissenschaftlicher Vorarbeiter, dem schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die heraufziehenden kommunistischen Wirren große Sorge bereiteten, intensiv Gedanken gemacht. Es handelt sich um den Musterlandwirt und Nationalökonom Johann Heinrich von Thünem> (1783-1850). Seine Versuche (arbeitsteilige) Wirtschaft mathematischen zu berechnen und zu formulieren, um damit nicht zuletzt den Benachteiligten zum gerechten Lohn ihrer Arbeit zu verhelfen, fanden leider nicht die richtige wissenschaftliche Aufmerksamkeit. Er betrachtete die soziale Frage als ein Optimierungsproblem, begann mit der Zweiteilung einer Arbeit und fand nicht zufällig als Optimum für natürlichen Arbeitslohn (A) das Geometrische Mittel aus dem notwendigen Bedürfnis des Arbeiters ( a ) und dem Erzeugnis seiner Arbeit ( p ). Diese Entdeckung erschien ihn so wichtig, dass er sie auf seinen Grabstein meißeln ließ
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Seine Worte üüber den Weg zur wissenschaftlichen Wahrheit sind noch heute zutreffend :
"Aber die Anwendung der Mathematik muss doch da erlaubt werden, wo die Wahrheit ohne sie nicht gefunden werden kann. ... Hätte man in anderen Fächern des Wissens gegen den mathematischen Kalkül eine solche Abneigung gehabt wie in der Landwirtschaft und der Nationalökonomie, so wären wir jetzt noch in völliger Unwissenheit über die Gesetze des Himmels; und die Schifffahrt, die durch Erweiterung der Himmelskunde jetzt alle Erdteile miteinander verbindet, wurde sich noch auf die bloße Küstenfahrt beschränken."